Für eine weitere Ausgabe meines Podcasts „Genuss im Bus - der mobile Weinpodcast" habe ich den Terroir-Enthusiasten Florian Lauer in Ayl an der Saar besucht. Ich steige in seinen Geländewagen und schon geht es los. Zunächst zum Ayler Scheidterberg, dann zum Rauberg und schließlich auf die andere Seite von Ayl zur Lage Schonfels. Überall hat er ausschließlich Riesling-Reben stehen. „Das ist unsere einzige Rebsorte“, erklärt er mir und ergänzt: „Diese Landschaft hier will ich in die Flasche bringen. Mit nur einer Rebsorte kann ich in diesen unterschiedlichen Terroirs eine hohe geschmackliche Diversität erzielen.“
Florian ist in seinem Element, wenn er über die große Vielfalt der Terroirs der Saar spricht. Durchdrungen, detailverliebt und voller Enthusiasmus. Einer, der den Dingen auf den Grund geht, Fragen stellt, wo so manch anderer zu denken aufhört. Eine unverkennbar wissenschaftliche Ader fließt durch ihn hindurch und gleichzeitig spürt man schon bei der ersten Begegnung: Florian ist keineswegs nur Analytiker, sondern ein Schaffer und Macher, ein Umsetzer, der Ergebnisse sehen will.
Ayler Kupp
Die berühmte Ayler Kupp zeigt er mir aus der Ferne, ebenso die Feils, direkt am Eingang des Altarms der Saar gelegen. Allmählich bekomme ich ein Gefühl für das ungemein komplexe Terroir der Saar und ahne, weshalb die Weine von Ayl so ganz anders performen als diejenigen von Kanzem, Wiltingen und Ockfen. Fortdauernd wechseln die Gegebenheiten, die Höhenlage, die Steilheit der Weinberge, ihre Ausrichtung zur Sonne, die Nähe bzw. Distanz zum Fluss und auch die Situation, ob die Lage windoffen oder windgeschützt ist, beeinflusst die mikroklimatischen Konstellationen in den Weinbergen.
Logisch, dass wir über all diese Dinge im Podcast sprechen, ausführlich sogar, wie könnte das mit einem so kenntnisreichen und detailverliebten Gesprächspartner auch anders sein. Aber das ist natürlich längst nicht alles. Zuvor reden wir über die Bedeutung von Genuss, den Charme von Purismus und das Lebenswerk der Winzerfamilie Egon Müller. Florian schildert eindrücklich, wie es als Kind in seinem Elternhaus zugeht und dass er bereits mit 17 Jahren den Eindruck hat, zwei Ausbildungen absolviert zu haben, die eine als Winzer, die andere als Gastronom. Er sehnt sich aber nach einer Veränderung, wie es weitergehen soll, weiß er allerdings nicht.
Die entscheidenden Hinweise für den Weg, den er dann einschlägt, kommen von einem Freund seines Vaters, der seinerzeit Ausbildungsberater bei der Landwirtschaftskammer ist: zunächst Studium der Agrarwissenschaften in Stuttgart-Hohenheim, dann Weinbau und Önologie an der französischen Eliteuniversität in Montpellier, um schließlich in Brüssel im Umweltkommissariat eine vielversprechende berufliche Laufbahn zu starten. Bis auf den letzten Step befolgt Florian die Empfehlungen ein-zu-eins, spürt dann aber im letzten Moment, dass ein Leben als EU-Beamter in Brüssel nicht wirklich zu ihm passt.
So findet ein Leben im Herbst 2005 eine Fortsetzung, das nahezu nahtlos an die Tage der Kindheit und Jugend anschließt, ein Leben, dass Florian also bereits sehr gut kennt, das ihm vertraut ist und das er wertschätzt, jetzt - vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in Hohenheim und Montpellier - vielleicht sogar noch einmal mehr. Zudem präsentiert sich der Zustand des Saarweins und seine Wertschätzung im In- und Ausland gerade im Aufwind, ein Klima der Zuversicht beginnt eine längere Phase der Resignation und Mutlosigkeit abzulösen. In diese positive Welle springt Florian hinein und segelt seither gemeinsam mit vielen anderen Saarwinzern auf Erfolgskurs.
Irscher Sonnenberg im Vordergrund, Ockfener Bockstein im Hintergrund
Vor diesem Hintergrund wird eine Herausforderung für Florian Lauer immer bedeutsamer: die Herausarbeitung und Schmeckbarmachung der diversen Saar-Terroirs, also all der feinen Unterschiede, die dem eiligen Betrachter, der die Terroirs der Region auf Geologie (also den hohen Schieferanteil im Boden) und Klima (also die Cool-Climate-Bedingungen) reduziert, entgehen.
Natürlich haben wir hier überwiegend die Schieferformationen bis auf hier und da mal kleinere Ausnahmen. Aber geprägt wird das Terroir an der Saar vor allem durch mikroklimatisch unterschiedliche Höhenlagen, unterschiedliche Ausrichtungen zur Sonne, durch Lagen, die steiler oder weniger steil sind, mal windoffen, mal windgeschützt und auch die Nähe bzw. Entfernung zum Fluss spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Also all diese Dinge prägen die Wachstumsbedingungen der Reben und das Reifeverhalten der Trauben.
Die Saar fließt von Süd nach Nord und teilt das Weinbaugebiet in einen westlichen und einen östlichen Bereich. Da die Weinberge sind überwiegend dem Fluss zugewandt angelegt sind, kommen sie im Westen mehrheitlich in den Genuss von Morgensonne, im Osten dagegen meist von Abendsonne.
Wir vertiefen diese Terroirfaktoren anhand dreier Ortschaften und ihren markantesten Lagen: Ayl mit der großen Lage Kupp, Kanzem mit dem Altenberg und Ockfen mit dem Geisberg. Die wärmste und dem Fluss nächsten gelegene Lage ist der Altenberg. Die Weine von hier sind konzentriert und üppig, sie zeigen viel Schmelz, eine große Dichte und präsentieren sich hinsichtlich ihrer Säurestruktur vergleichsweise mild. Ähnlich präsentieren sich die Gewächse von der Ayler Kupp, aber mit mehr Würze und salziger Mineralität. Und sie zeigen sich definitiv weniger üppig. Das andere Ende der Fahnenstange markiert der Ockfener Geisberg
Da sind wir jetzt weg vom Wasser. Das heißt, wir haben noch nicht einmal mehr eine Milde, sondern im Kern richtig feurige Saarsäure, die mit fast schon metallischen Aspekten einhergeht und ein bisschen stahlig wirkt. Im Geisberg haben wir weder den direkten Bezug zum Wasser, noch haben wir viel Wärme. Im Gegenteil: Hier entfalten kalte Winde vom Hunsrück ihre Wirkung. Ganz ähnliche Bedingungen herrschen im Scharzhofberg und ergeben Weine mit kühler Mineralität.
Geisberg
Damit nun diese mal markanten, mal feinen Unterschiede schlussendlich auch im Glas schmeckbar werden, müssen sowohl die Pflegemaßnahmen im Weinberg als auch die Prozesse der Weinbereitung so akzentuiert werden, dass das, was die jeweilige Lage an natürlichem Potenzial bereit und zur Verfügung stellt, erhalten und unterstrichen wird und ungeschminkt in die Flasche gelangen kann. Oder wie Florian das auf den Punkt bringt:
Es kommt darauf an, das, was die Landschaft, die Topografie und das Mikroklima den Reben mit auf den Weg gegeben haben, durch önologische Techniken in das optimale Erscheinungsbild eines Weins hinüberzuführen. Wir dürfen als Winzer im Keller nicht gegen die Natur arbeiten, nicht versuchen, ihr etwas abzuringen, das gar nicht angelegt ist. Trauben, die aus einem kargen, stickstoffarmen Weinberg stammen, sind prädestiniert, um daraus einen restsüßen Kabinett oder ein stattliches feinherbes Gewächs zu keltern. Solche stickstoffarmen Moste zum Durchgären zu zwingen, bedeutete gegen ihre innere Natur zu arbeiten.
Schließlich erläutert Florian, wieso er seine Weine aus den verschiedenen Lagen immer in denselben Fässern ausbaut und dann auch die Nummer des jeweiligen Fasses auf den Flaschenetiketten platziert. Spätestens da verfestigt sich der Eindruck, das im Hause Lauer eins in andere greift, logisch und harmonisch, dass alles durchdacht ist und Hand und Fuß hat und bei all dem der Respekt vor der Natur immer über allem steht. Die Weine des aktuellen Jahrgangs 2023 sind über alle Zweifel erhaben, vom Einstiegswein bis hin zu den großen Gewächsen und den frucht- und edelsüßen Abfüllungen. Sehr empfehlenswert sind auch die Schaumweine des Hauses Peter Lauer. Mein uneingeschränkter Respekt gilt Florian Lauer und seinen Weinen.
Lasst sie Euch schmecken!
Wolfgang
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