Für eine weitere Episode von Genuss im Bus habe ich den Bulli noch einmal in die Pfalz gesteuert, diesmal nach Ruppertsberg, wo ich den jungen Winzer Philipp Jaillet getroffen habe. Im Namen verbirgt sich zweifelsfrei etwas unverkennbar Französisches, aber der Ursprung ist, wie die Ahnenforschung ergeben hat, nicht mehr so einfach rekonstruierbar. Alles deutet aber aufs Burgund hin, doch auch das Jura ist als Herkunftsregion seiner Vorfahren nicht ganz ausgeschlossen. Wer mit Philipp spricht, ahnt davon jedoch nichts, so unüberhörbar ist sein Pfälzer Dialekt. Hat man dann erst mal einen seiner Weine im Glas, macht der Namen Jaillet dann doch wieder Sinn und man spürt, dass ein französischer Geist in ihnen pulsiert.
Bevor wir seine Weine verkosten, zeigt Philipp mir seine Weinberge rund um Deidesheim am Haardtrand, unter anderem eine kleine mit Spätburgunder bepflanzte Parzelle mit einer Stockdichte von sage und schreibe 22.000 Reben. Logisch, dass wir im Podcast über dieses außergewöhnliche Projekt miteinander sprechen.
Aber das ist nicht das einzige Außergewöhnliche, das mir an diesem Tag begegnet. Ich lerne mit Philipp einen jungen Winzer kennen, der - noch keine 25 Jahre alt - sehr genau weiß, was er will und wohin er will. Er marschiert mit glasklaren Vorstellungen in die Zukunft, mit Vorstellungen, wie er seine Reben erziehen und die Böden pflegen will, die er bewirtschaftet. Er will ein Winzer sein, der im Einklang mit den Bedürfnissen des Ökosystems Weinberg leben und arbeiten will.
Auch im Hinblick auf die Prozesse der Weinbereitung verfügt er bereits heute über sehr genaue Vorstellungen, wie das geschehen und welches Equipment dabei zum Einsatz kommen soll. Auch darüber sprechen wir im Podcast.
Noch verdient er sein Geld im Außenbetrieb des Weinguts von Winning, doch jede freie Minute und jeden verfügbaren Euro investiert er in sein Lebensprojekt, in sein eigenes kleines Weingut.
Auf dem Nachhauseweg gehen mir die Bilder und Gespräche mit Philipp Jaillet noch eine Weile durch den Kopf. Dazu höre ich das neue Album von Norah Jones, ein Arrangement voller Frische und Spontaneität. Passend zu meinen Gedanken ist auch sein Titel: Visions.
Auch Philipp hat den Kopf voller Ideen, Visionen und ist bis in die Zehenspitzen motiviert. Aber wichtiger noch ist vielleicht etwas anderes: Philipp traut sich Fragen zu stellen, Fragen zu stellen, wo andere längst zu fragen aufgehört haben, wo viel zu viel unreflektiert und unkritisch hingenommen wird, gemacht und getan wird, nicht weil es schon immer so gemacht wurde, sondern weil es heute fast alle so machen und die Stimmen aus Technik und Chemie das immer nur zu weiter befeuern. Philipp ist einer, der die Dinge hinterfragt und dabei manchmal auf Lösungsansätze stößt, die an die Praxis früherer Generationen erinnern, Konzepte, die heute vielen in der Branche als Anachronismus anmuten.
Ich jedenfalls habe seine Art als sehr erfrischend empfunden, seine Art, die Versprechungen von Technik und Chemie zu hinterfragen und Denkansätze ins Kalkül zu ziehen, die verloren gegangenes Wissen und vergessene Praktiken in die Suche nach neuen Lösungsansätzen berücksichtigen. Da hat sich ein Talent, ein Rohdiamant auf den Weg gemacht, all den schnöden Modeschmuck aus dem Weg zu räumen, um in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft die echten Juwele zu finden, sie strahlen zu lassen. En passent könnte dann aus dem Talent, dem Rohdiamanten Philipp Jaillet ein echtes strahlendes Juwel geworden sein.
Schon heute präsentiert Philipp ein ungemein spannendes Portfolio mit Chardonnay, Riesling und Spätburgunder, die schon in ihrer Jugend begeistern, gleichwohl das Zeug haben, von weiterer Entwicklung zu profitieren. Auch seine Cabernet Blanc und Sauvignon Blanc strahlen. Jeder Weinkommt so ganz eigenständig daher und doch wird dahinter die Handschrift erkennbar, die mit Feingefühl die Werdungsprozesse lenkt. Glück auf für die Zukunft, lieber Philipp!
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