Nun sind sie nicht mehr fern: die ersten warmen Frühlingsabende, an denen Du nach getaner Arbeit die Mußestunden im Garten oder auf der Terrasse gemütlich mit ein paar Snacks und einem leckeren Aperitif einläuten kannst. Mit etwas Glück wirst Du in den nächsten Tagen sogar bis zum Einbruch der Dunkelheit im Freien verweilen können. Das ist die Jahreszeit für leichte Speisen, für Salate und Gemüse und natürlich ist es auch die Jahreszeit des Spargels. Und mit dem Spargel betritt der Spargelwein die Tafel.
Auf über 20 000 Hektar Anbaufläche werden hierzulande in dieser Saison wohl mehr als hunderttausend Tonnen Spargel geerntet. Meist von rumänischen und polnischen Arbeitskräften, die für sechs bis acht Euro die Stunde Deutschlands Edelgemüse aus der Erde holen.
Und wie jedes Jahr verlangen die Esser nach der angemessenen Eskorte: Junges, knackiges Gemüse, groß und schlank, mit appetitlichem Äußeren sucht eleganten, anschmiegsamen Partner für gemeinsames Tafeln. Schon stehen die Aspiranten Schlange - die Spargelweine.
Kein Supermarkt und kein Restaurant, die die Gelegenheit nicht ergreifen und mit einigem Werbeaufwand sogenannte „Spargelweine“ anbieten. Meist sind es leichte trockene Weißweine, die auf der Terrasse solo genossen wunderbar erfrischen, zu den diversen Spargelgerichten aber in der Regel heillos überfordert sind.
Da stellt sich die Frage: Gibt es den „Spargelwein“ überhaupt? Welche Rebsorten und Weinstile eignen sich jenseits von allem Marketing-Geschwätz tatsächlich als Begleiter für des Deutschen verehrtestes Gemüse?
Weine, die als Spargelbegleiter eine gute Figur machen, müssen sowohl die geschmacklichen Besonderheiten des Spargels als auch die zum Spargel gereichten Zutaten und Saucen angenehm begleiten können (siehe hierzu auch den Artikel "Wie Du immer den passenden Wein zum Essen findest".
Die aromatische und geschmackliche Intensität des Spargels ist abhängig von seiner Farbe. Hierzulande dominiert der weiße Spargel das Marktgeschehen. Von allen Sorten schmeckt er am mildesten und dezentesten. Er wächst bis zur Ernte vollständig unterirdisch und wird erst gestochen, wenn seine Spitze die Erdkruste leicht anhebt.
Das Aroma des violetten Spargel ist etwas ausdrucksstärker, reicht aber bei weitem nicht an die würzige Intensität der grünen Vertreter heran. Letztere gedeihen überirdisch, wodurch die Stangen so viel Licht bekommen, dass sie sich vollständig grün färben. Sie sind in der Regel dünner als die weißen Stangen, aber reich an Vitamin C und Beta-Karotin. Noch dünner und aromatischer ist Wildspargel.
In Abhängigkeit von der Qualität des Spargels musst Du beim Spargelgenuss damit rechnen, auf mehr oder weniger ausgeprägte Bittertöne zu treffen. Wenn meine Beobachtung stimmt, dann ist die Präsenz bitterer Geschmacksmerkmale allerdings in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Das scheint einmal an neuen Sorten, zum anderen an den Bedingungen des Anbaus zu liegen. Als wichtiger Auslöser für die Bildung von Bitterstoffen gilt vor allem Stress in der Wachstumsphase. Starke Wechsel zwischen kalten und warmen sowie trockenen und nassen Tagen sind häufig die Ursache. Die Spargelpflanze fühlt sich dann bedroht und produziert zur Abwehr Bitterstoffe. Durch den immer verbreiteteren Folienanbau werden Stressfaktoren deutlich gemildert.
Sind Bittertöne im Spargel vorhanden, addieren sie sich auf geschmacklich unangenehme Weise, wenn sie auch im begleitenden Getränk enthalten sind. Dann solltest Du auf Bier, viele Rotweine und Weißweine aus dem Barriquefass als Begleiter reiner Spargelgerichte eher verzichten. Das gleiche gilt für säurebetonte Weißweine, denn die Bitternoten des Spargels vertragen sich nicht mit sauren Geschmackskomponenten. Deshalb scheidet ein knackiger Riesling als Begleiter aus, wenn der Spargel deutliche Bittereinflüsse zeigt. Ist das nicht der Fall, ist selbstverständlich gegen einen Riesling nichts einzuwenden, der oftmals die bessere Figur zum Spargel macht, wenn er halbtrocken oder feinherb daher kommt.
Doch selten wird Spargel solo verspeist. Wir zum Beispiel servieren ihn hier bei uns zu Hause sehr gerne in Begleitung von Kartoffeln, Schinken und geschmolzener Butter. Gelegentlich fällt unsere Wahl aber auch schon mal auf Fisch, Fleisch, frische Kräuter und spezielle Saucen und dann kommen Weine in Frage, die nicht in erster Linie zum reinen Spargelgenuss passen, sondern mit dem geschmacklich einflussreichsten Element des jeweiligen Gerichtes harmonieren und schöne Akkorde eingehen.
Spargel liebt die Begleitung von Weinen mit zarter Frucht, moderater Säure und ausreichend Substanz und Schmelz. Das ist die Domäne von Silvaner und Weißburgunder. Zum Spargel können sie ihre Stärken optimal entfalten. Sie kommen sowohl mit den vegetabilen Aromen des Spargel als auch mit Fett und Stärke gut klar. Wenn Sauce Hollandaise, Beurre Blanc und Kartoffeln im Spiel sind, sind es für mich geniale, schwer zu toppende Spargelbegleiter. Ist die Intensität auf dem Teller etwas moderater, kommt auch ein Müller-Thurgau aus gutem Hause in Frage.
Bei Spargel mit Sauce Maltaise wird unter die Hollandaise noch etwas Orangenschale und Orangensaft gemischt. Hier können die Aromen des Weines auch etwas exotischer sein. Sauvignon Blanc von guter Qualität mit wenig Säure und auch schon etwas gereift macht sich hier ebenso gut wie eine erstklassige Scheurebe. Noch aufregender wird es, wenn Du einen Viognier zum Einsatz bringst.
Das, was den Deutschen ihr Silvaner, ist den Österreichern der Grüne Veltliner: Spargelwein par excellence. Zu Spargelspitzen mit Räucherlachs und einem Klecks Crème fraiche laufen gleich zwei Österreicher zu Hochform auf: Steirischer Sauvignon Blanc oder Grüner Veltliner aus der Wachau oder dem Weinviertel.
Bei der Spargelcremesuppe greife ich ebenfalls zu Grünem Veltliner oder zu einem Silvaner aus Franken. Nur achte ich diesmal darauf, dass es kräftigere, etwas alkoholstärkere Vertreter sind. Kraft und Alkohol müssen nämlich mit dem höheren Fettanteil zurecht kommen bzw. konkurrieren. Der Einsatz von Salz und Pfeffer ergibt schöne Akkorde mit einer gewissen Mineralität im Wein.
Zu Spargel mit zerlassener Butter fällt meine Wahl gelegentlich auch schon mal auf einen Chardonnay, speziell wenn ich weiß, dass er selbst eine dezent buttrige Note aufweist. Richtig festlich wird es, dazu noch ein in reichlich Butter gebratenes Stück Zanderfilet zu servieren. Auch zum Spargelrisotto gefällt mir ein körperreicher Chardonnay mit dezentem Holzeinfluss sehr gut.
Ersetze ich den Zander durch Lachs und die Butter durch Bozner Sauce, dann kann ich natürlich wieder Weißburgunder, Chardonnay oder Silvaner zum Einsatz bringen, denkbar ist an dieser Stelle jedoch ein seriöser Rosé, wie ihn hierzulande zum Beispiel Caroline Diel vom Schlossgut Diel oder der Rheingauer Johannes Leitz offerieren. Das sind nicht diese nichtssagenden, künstlichen Bonbonweine, wie sie landauf, landab in großen Stückzahlen angeboten werden, sondern wirklich charakterstarke Typen.
Gar nicht so selten kommt es vor, dass ich meinen Weber-Grill anwerfe, um zum Spargel ein Lammkotelett, Lammkarree oder ein Rindersteak zu servieren. Dann ist der Moment gekommen, einen Rotwein zu öffnen. Er darf nicht zu mächtig sein, soll aber dennoch eine gewisse geschmackliche Intensität aufweisen. Ideal ist da ein Spätburgunder: fein genug für die zarte Textur des Spargels, charaktervoll genug, den Grilladen auf Augenhöhe zu begegnen. Die Weingüter Adeneuer (Ahr) und Fürst (Franken) bieten in unterschiedlichen Preisklassen Vorzügliches.
Denkbar sind selbstverstandlich auch gute Vertreter der Sorten Schwarzriesling und Portugieser.
Tische ich ein leckeres Schweinefilet zum Spargel auf, passt ein kräftiger, gereifter Weißwein perfekt. Auch kann ich mir hierzu einen Grauburgunder, Chardonnay oder Weissburgunder vorstellen – durchaus mit dezentem Holzanteil.
Eins dürfte klar geworden sein: den allein selig machenden Spargelwein gibt es nicht. Auf der Suche nach dem perfekten Begleiter spielt sowohl die Art des Spargels als auch die ihn begleitenden Speisen und Saucen eine entscheidende Rolle. Umso mehr der reine Spargel geschmacklich dominiert, desto zarter und dezenter darf die Weinbegleitung sein. Allzu viel Säure und Fruchtintensität im Wein solltest Du meiden. Umso machtvoller sich jedoch andere Bestandteile des Spargelgerichts in den Vordergrund drängen und die geschmackliche Führung übernehmen, desto entschiedener solltest Du die Weinauswahl an ihnen orientieren.
Oder Du orientierst Dich bei der Suche nach einem passenden Spargelwein allein an Deinen geschmacklichen Vorlieben und prüfst, ob das für Dich passt. Wenn es passt, dann ist es gut so und meine Überlegungen dürften für dich weitgehend bedeutungslos bleiben. Wenn es nicht passt, dann findest Du in diesem Artikel jede Menge Empfehlungen und Anregungen zum Experimentieren. Bin gespannt, wie Deine liebsten Spargelweine heißen. Schreib es mir!
Meine Wein-Empfehlungen zum Spargel:
Weingut Luckert, Franken
Winzerhof Stahl, Franken
Weingut Am Stein, Franken
Weingut Horst Sauer, Franken
Weingut Rainer Sauer, Franken
Weingut Rothe, Franken
Weingut Battenfeld Spanier, Rheinhessen
Weingut Franz Keller, Baden
Weingut Reinhold & Cornelia Schneider, Baden
Weingut Philipp Kuhn, Pfalz
Weingut Dr. Wehrheim, Pfalz
Weingut Kranz, Pfalz
Weingut Bergdolt, Pfalz
Weingut Jürgen Leiner, Pfalz
Weingut Ziereisen, Baden
Weingut Arndt Köbelin, Baden
Weingut Holub, Baden
Weingut Seeger, Baden
Weingut Heger, Baden
Franz Keller, Baden
Weingut Bernhard Huber, Baden
Weingut Michel, Baden
Weingut Siegrist, Pfalz
Weingut Stadt Lahr (Fam. Wöhrle)
Weingut Paul Fürst, Franken
Weingut Pfaffl; Niederösterreich
Weingut Jurschitsch,Niederösterreich
Weingut Hirzberger,Niederösterreich
Weingut Ott,Niederösterreich
Weingut Paul Fürst, Franken
Winzerhof Stahl, Franken
Tiefenbrunner, Südtirol
Weingut Wohlmuth, Steiermark
Weingut Gross, Steiermark
Weingut Tement, Steiermark
Weingut Weedenborn, Rheinhessen
Weingut Eva Vollmer, Rheinhessen
Weinhut Katharina Wechsler, Rheinhessen
Weingut Seehof, Rheinhessen
Weingut Müller-Catoir, Pfalz
Weinhut Oliver Zeter, Pfalz
Château la Canorque, Luberon
Yves Cuilleron, Rhône
Clusel-Roche, Rhône
Weingut Philipp Kuhn, Pfalz
Weingut Leitz, Rheingau
Schlossgut Diel, Nahe
Weingut Schäfer-Fröhlich, Nahe
La Negly, Languedoc
Weingut Adeneuer, Ahr
Weingut Paul Fürst, Franken
Shelter Winery, Baden
Weingut Friedrich Becker, Pfalz
Weingut Ziereisen, Baden
Weingut Huber, Baden
Lauffener Weingärtner, Württemberg
Graf Neipperg, Württemberg
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Elflein Heinz
Wolfgang Staudt
Wilhelm Hardt
gestatte mir bitte eine kleine Begriffsverdeutlichung.
So wie "der Dativ dem Genitiv sein Tod ist", so ist die Aufgabe des Präsens zwar die Beschreibung von etwas Gegenwärtigen. Die mit ihm durchaus verwandte Präsenz weist jedoch auf etwas aktuell Herausragendes, deutlich Vorhandenes hin.
Was die ausgezeichnete Liste der empfohlenen Weingüter betrifft, so fällt mir dabei auf, dass es sich weit überwiegend um VDP-Weingüter handelt.
Ich finde, dass es so viele ausgezeichnete Winzer*innen und Weingüter gibt, dass die immer wieder erfolgende Aufzählung der VDP-Spitzen der hohen Qualitätsdichte "unterhalb" dieses Labels nicht gerecht wird.
Mein Tip zum Abbau dieser Benachteiligung: Weingut Wind-Rabold in Burrweiler, Pfalz.
...und noch eine wirklich große Bitte, auch an alle, die Wein lieben und über ihn schreiben: Bitte hört mit der Verwendung des (Un-) Wortes "trinkig" auf. Das ist doch nur schlimm! Etwas zum Trinken ist "trinkig"! Da wendet sich der Genießer doch schaudern ab. Dabei haben doch schon viele kluge Menschen schon soviele gute, richtige und passende Beschreibungsmöglichkeiten gefunden...
Vielen Dank
Wolfgang Staudt
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