Schokoladenweine und andere Kracher – Die Wahrheit über Süßweine (5)

Schokoladenweine und andere Kracher – Die Wahrheit über Süßweine (5)

Teilstück 5 – Portwein, Sherry & Co.

Wenn Du Schokolade mit hohem Kakaoanteil (über 70 Prozent) magst, findest Du in diesem Teilstück zum Thema Süßweine ideale Partner. Während ich im Segment zwischen 55 und 70 Prozent Kakaoanteil trockene Rotweine vom Merlot-Typ empfehle, kommen diese Weine bei einem höheren Kakaoanteil an ihre Grenzen. Es kommt zu einer unangenehmen Gerbstoffpotenzierung, die unsere Geschmackspapillen stresst oder sogar gänzlich außer Gefecht setzt. Mit Schokoladen, deren Kakaoanteil höher als 70 Prozent ist, können es nur noch Weine aufnehmen, die ausreichend Süße und Extrakt besitzen.

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Extreme Bitterschokolade verlangt nach außergewöhnlichen Gefährten 

Erfreulicherweise erstreckt sich heute die Vielfalt der bitteren Schokoladen bis hinauf auf einen Anteil von 100 Prozent Kakaomasse. Das gelingt allerdings nur, wenn hochwertiger Criollo-Kakao aus Venezuela im Spiel ist. Als ideale Begleiter erweisen sich hier die mächtigen und alkoholstarken Süßweine. Sie bieten diesen extrem schmeckenden Schokoladen eine unwiderstehliche Partnerschaft – ein Spiel der Extreme mit reizvollen Akkorden.

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Renaissance der Dinos

Die Rede ist von Portwein, Sherry und Co. Es gab eine Zeit, da waren diese süßen Kraftpakete vom Aussterben bedroht, eine Spezies kurz vor dem Knockout. Light-Kultur und Promille-Grenzen setzten ihnen ganz arg zu. Die Überlebensgesetze des Marktes zeigten keinerlei Erbarmen. Ansehen und Absatzzahlen erreichten einen historischen Tiefststand nach dem anderen. Lange schien es, als könnte nur ein gewisser Artenschutz helfen, diese stilistisch bemerkenswerte Weingattung in die Zukunft zu retten.

Noch haben diese süßen Kraftpakete nicht zu alter Stärke zurückgefunden, doch umso besser es ihnen im Einzelfall gelingt, sich fest mit bestimmten kulinarischen Erlebnissen in Verbindung zu bringen, umso besser performen sie. Portwein mit Schokolade ist so eine bewährte und etablierte Verbindung.

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Port aus dem Douro-Tal

Portwein ist ein portugiesisches Urgestein. Die Reben wachsen an den steilen, felsigen und terrassierten Hängen des oberen Dourotals. Von allen Plätzen, an denen der Mensch Weinberge angelegt hat, ist dieses Gebiet nicht unbedingt das Wahrscheinlichste, so wild und unwirtlich präsentiert es sich. Aber es ist ein beeindruckendes Naturerlebnis, diese majestätischen, unheimlich mächtigen Terrassenweingärten zu betrachten und dazu die Stille des vom Tourismus nahezu unentdeckten Gebietes zu genießen.

Die Weine, die hier entstehen, hinterlassen einen nicht minder gewaltigen Eindruck. Vor allem der Vintage Port ist ein gigantischer Wein, dem hinsichtlich Konzentration, Alkohol, Süße und Tanningehalt niemand das Wasser reichen kann. Aber auch die anderen Portwein-Varianten sind ungewöhnliche, aber ungemein spannende Elixiere.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, den einzigartigen Produktionsprozess dieser Weine in allen Einzelheiten zu beschreiben. Doch ein paar Erläuterungen zum klassischen Prozedere, so wie es im Gebiet über Jahrhunderte gepflegt wird, sind erhellend.

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Die frisch geernteten Trauben der Sorten Touriga franca, Tinte Roriz, Touriga Nacional, Tinte barock, Tinte amarela werden in drei mal vier Meter großen und 1,3 Meter tiefen Granitbecken, sogenannten »lagares« mit bloßen Füßen eingestampft. Rund zwanzig Personen befinden sich im Becken, wenn der »corte«, der erste Teil des Tretens, startet: Die Arbeiter stehen in einer oder mehreren Reihen, die Arme über die Schultern des Nachbarn gelegt, und sie marschieren auf Kommando – und oft begleitet von Trommelschlägen oder rhythmischem Gesang – Schritt für Schritt zunächst nach vorne, dann wieder nach hinten. Nach zwei bis drei Stunden ist der Corte abgeschlossen. Nun folgt die »liberdade«, bei der sich die Arbeiter frei tanzend in den lagares bewegen.

Allmählich beginnt die Gärung. Im Becken steigen nun die Häute, Stiele und Kerne auf und bilden den Tresterhut, der immer wieder untergetaucht werden muss, um für eine gute Farbextraktion zu sorgen. Nach etwa 24 bis 36 Stunden Gärung ist ein Teil des Zuckers vergoren, der Saft wird von den festen Teilen getrennt und mit Weinbrand versetzt. Der Alkohol tötet die restlichen Hefen ab, die Gärung stoppt und der junge Portwein kann in Fässer zum Reifen gefüllt werden.

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Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um zu entscheiden, welcher Portweinstil entstehen soll. Die verschiedenen Stile lassen sich am einfachsten wie folgt auseinanderhalten: 
(1) die holzfassgereiften Ports unterscheidet man von denen, die sich vor allem in der Flasche entwickeln 
(2) Portweine ohne Jahrgangsangabe, die aus Weinen mehrerer Jahrgänge komponiert werden, unterscheidet man vom Jahrgangsport.

 

  Jahrgangsabfüllungen

Jahrgangsverschnitte

Fassreifung Colheita (7 Jahre +)
Late Bottled Vintage (4 – 6 Jahre)
Tawny
Flaschenreifung Vintage Port Ruby

 

 

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Ruby

Der preiswerteste, einfachste und süffigste Portwein führt die Bezeichnung „Ruby“. Seine Grundlage bilden junge Weine aus verschiedenen Jahrgängen, die man in ganz verschiedenen Behältnissen ein wenig reifen lässt, bevor sie zum Ruby zusammengeführt werden. Guter Ruby präsentiert sich rubinrot, feurig, kräftig und saftig.

 

Vintage

„Vintage“ ist die teuerste und exquisiteste Portwein-Variante, die kaum 1 Prozent am gesamten Portwein-Markt ausmacht. Vintage Port ist ein Verschnitt der besten Ports mehrerer Quintas (Port-Weingut), aber nur eines einzigen herausragenden Jahrgangs. Der Entwicklungsbedarf ist enorm hoch: Die Weine müssen nach ihrer Flaschenabfüllung weitere 15 bis 20 Jahre reifen, bevor sie trinkfertig sind.

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Late Bottled Vintage Port

„Late Bottled Vintage Port“ (LBV) schließlich ist ein Wein aus einem einzigen Jahrgang, der zwischen dem vierten und dem sechsten Jahr nach der Ernte abgefüllt wird.

 

Single Quinta Vintage Ports

Eine relativ neue Spezies sind die „Single Quinta Vintage Ports“, das Ergebnis eines einzigen Jahrgangs und eines einzigen Weinguts, in der Regel die besten Quintas der besten Port-Häuser. Sie werden meist nur in Jahren erzeugt, in denen das Potenzial für einen traditionellen Vintage Port – auch aus Mengengesichtspunkten – nicht ganz ausreicht. Sie lassen sich bereits nach 8 bis 12 Jahren mit Genuss trinken und kosten nur halb so viel wie ein traditioneller Vintage Port.

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Tawny

„Tawny“ ist die Bezeichnung für einen Port, der eine beträchtliche Zeitspanne in Holzfässern zugebracht und dabei reichlich Farbe verloren hat. Am Ende des Reifungsprozesses angekommen, präsentiert 
sich guter Tawny gelbbraun, weich, seidig und von reicher Geschmacksfülle. Die meisten werden mit einer Altersangabe 
(10, 20, 30, 40 oder über 40 Jahre) auf dem Etikett versehen, wobei es sich aber nur um Annäherungen handelt, da es sich ja immer um einen jahrgangsübergreifenden Verschnitt handelt. Wichtig ist vor allem die Angabe des Abfülldatums, da ein gealterter Tawny keine allzu lange Flaschenlagerung mehr verträgt. Ist die Flasche erst einmal geöffnet, sollte sie schnell ausgetrunken werden. Leider trifft man in der Praxis immer wieder auf Exemplare, die die Bezeichnung Tawny nicht verdienen. Sie werden auf die Schnelle zu einem Produkt frisiert, das einem Tawny möglichst nahe kommt.

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Colheita

„Colheita“ ist die Bezeichnung für einen Tawny Port aus einem einzigen Jahrgang, der mindestens 7 Jahre Fassreife hinter sich gebracht haben muss, bevor er vermarktet werden darf. Diese Weine tragen alle das Datum ihrer Abfüllung, da sie dann innerhalb eines Jahres getrunken werden sollten.

 

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Sherry aus Andalusien

Heute ist Sherry ein Geheimtipp. Dabei zählte er einmal zu den großen Superstars der internationalen Weinszene. Seine Heimat ist der äußerste Südwesten Spaniens, dort wo Atlantik und Mittelmeer zusammentreffen. Die Begegnung der beiden Meere bringt viel Regen und ein feuchtes Klima in die Region – entscheidende Parameter für den besonderen Charakter der Weine, die hier entstehen.

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Unter diesen Bedingungen gedeiht ein besonderer Hefepilz, der sich in der Endphase der alkoholischen Gärung bildet und wie ein weißer Teppich auf die Weine legt. Dieses Phänomen kommt sonst nur noch im Jura und auf Zypern vor. Versuche, es künstlich zu erzeugen, sind bislang allesamt fehlgeschlagen.

Die bekanntesten Sherry-Typen, die unter dieser Hefeflorschicht reifen, heißen Fino und Manzanilla. Beide kommen trocken, also gänzlich ohne Restsüße in den Handel.

Es gibt jedoch auch Sherry-Typen, die ohne die Hefeschicht, also rein oxidativ reifen. Der bekannteste Vertreter heißt Olorosso.

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Auch Olorosos sind von Natur aus trockene Sherrys. Alte, gereifte Exemplare gehören zu den exquisitesten und teuersten Sherrys überhaupt. Gute Exemplare duften nach geröstetem Holz, Tabak und Nüssen. Bei Tisch passen Sie in ihrer dichten, konzentrierten Art zu gehaltvollen Bratensaucen ebenso wie zu kräftig gewürzten Speisen der orientalischen Küche.

In der Praxis wird jedoch der größte Teil der Olorossos mit Süßweinen aus Moscatel- oder Pedro-Ximénez-Trauben oder süßen Mosten verschnitten, um als Medium Dry, Medium oder Cream Sherry in die Supermärkte zu gelangen. Ich persönlich schätze mehr den süßeren Cream, weil er ein perfektes Gleichgewicht zwischen Süße und Körper aufweist.

Reine Moscatel-Weine in der Version dulce-naturale sind noch einen Tick süßer, sie werden allerdings vom König der andalusischen Süßweine, dem Pedro Ximénez (PX) noch einmal deutlich übertroffen. Mit deutlich über 200 g Zucker pro Liter und knapp 20 Vol.% Alkohol spielt er einer eigenen Liga. Er passt nicht nur zu Kuchen, Süßgebäck und Eiscreme, sondern fühlt sich sogar im Duett mit Kaffee pudelwohl.

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Madeira

Der Madeira ist ein ungewöhnlicher Wein von einer faszinierenden Insel, etwa 600 Kilometer vor der marokkanischen Atlantikküste gelegen, vulkanischen Ursprungs und von seltener Schönheit: steil wie ein Eisberg und grün wie eine Waldlichtung. Der Wein ist pikant, alkoholreich und mit kräftiger Säure ausgestattet. Erstklassiger Madeira ist der langlebigste Wein der Welt. Leider ist der heute produzierte Madeira meist ziemlich einfach und schlicht – gut zu gebrauchen für die Küche, jedoch ohne eigenständiges Genusspotenzial. Die Besten werden aus den Rebsorten Sercial, Verdelho, Bual und Malvasia unter tropischen Temperaturen bereitet. Kein Wein der Welt entsteht unter extremeren Bedingungen und kein anderer ist in der Folge so unverwüstlich wie Madeira.

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Vin Doux Naturels

Die aufgespriteten Weine aus Frankreich heißen »Vin Doux Naturels« (natursüßer Wein). Sie kommen aus dem Roussillon und dem Rhône-Tal und entstehen auf der Basis sehr niedriger Erträge. Sie sind überwiegend rot und werden mal mit, mal ohne Oxidationseinfluss ausgebaut. Die Bekanntesten sind der aromatische Muscat de Beaumes-de-Venise von der Rhône sowie Banyuls, Maury und Rivesaltes aus dem Roussillon. Banyuls und Maury sind perfekte Begleiter zu Schokolade, Schokoladendesserts und pikantem Käse mit blauem Innenschimmel.

 

Empfehlenswerte Vertreter 

 

Portwein

Dow, Graham, Niepoort, do Noval, de la Rosa, do Crasto, Ramos-Pinto, Taylor, Croft, Delaforce

 

Sherry

Alvaro Domecq, Alvear, Barbadillo, Hidalgo, González Byass, Lustau, Toro Albala, 

 

Madeira

Cossart Gordon, Henriques & Henriques, Blandy’s, Vinhos Justino, H.M. Borges

 

Vin Doux Naturels

Mas Amiel, Pouderoux, Boudau

 

Lass es Dir schmecken!

Wolfgang Staudt

 

 

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